Sinnend werden — Wahrheit ahnen
Internationale Jugendfesttage 2023 in Darmstadt
Vor dem Eingang des Gebäudes steht ein Jugendlicher mit einem riesigen Rucksack. Er guckt genauso desorientiert drein, wie ich mich fühle, also spreche ich ihn an. Er antwortet mit „English?“ Ich bin überrascht, dass das International in International Youth Festival tatsächlich bedeutet, dass Leute aus anderen Ländern hier sind. Das mag selbstverständlich sein für alle die nicht zum ersten Mal auf so einer Tagung sind, aber ich finde es bemerkenswert. Durch einen völlig dunklen Gang geht es dann zur Anmeldung. Beim Verlassen des Dunkelgangs empfangen mich die Sonnenstrahlen in der Welt, in der ich die nächsten fünf Tage verbringen werde.
Halb acht: Menschenweihehandlung. Andächtig sitzt da eine Halle voller Jugendlicher, die der Menschenweihehandlung auch auf Ukrainisch und Spanisch so gut als möglich folgen, obwohl kaum einer ein Wort versteht. Das zeigt, so finde ich, welch eine tiefe Kraft der Menschenweihehandlung innewohnt. Dann Frühstück, dann jeden Tag ein anderer Vortrag zum Thema Wahrheit. Der Mensch erst, kann die Wahrheit verwirklichen, haben wir gelernt. Und wer sich nicht vorstellen kann, seinem Wahrheitsimpuls nicht nachzugehen, läuft Gefahr Fanatiker zu werden. Und die Christengemeinschaft gibt es nicht, vielmehr muss sie in jedem Moment neu entstehen. Diese und viele weitere Aussagen haben wir dann in kleinen und altersdurchmischten Gesprächsgruppen aufgearbeitet. Die Gespräche unserer Gruppe drehten sich vorwiegend um das, was ein Tisch ist und darum, aus welchen Perspektiven man die gelbe Blüte im Blumenstrauß sieht.
Nach dem Mittagessen Workshops. Von Singen und Altarbildmalen bis zur künstlichen Intelligenz war alles dabei. Ich habe selten so viel über mich selbst in so kurzer Zeit gelernt wie in unserem Workshop: Tell-a-vision. Es war unglaublich wie jeder einzelne Teilnehmer sich ganz öffnen und seine eigene Geschichte in diesem Workshop kennenlernen und erzählen konnte. Danach Wahrnehmungszeit. Kurzgesagt: Sozialer Raum und Gruppendynamik, alle Sinne, die Gruppe, das Gegenüber, das Selbst. Vor dem Abendabschluss am ersten Tag Speeddating, am zweiten die Premiere des LOGOS-Tagungsfilms (großartiges Werk), am dritten Bunter Abend.
Zwischen den Programmpunkten war reichhaltig Zeit, um Leute kennenzulernen, spazieren zu gehen, Tischtennis oder Volleyball zu spielen und so, so vieles mehr. Ich habe es sehr genossen mich etwas abseits aber mit gutem Überblick ins Gras oder Klettergerüst zu setzen und diese wundervolle, lebendige Gemeinschaft wahrzunehmen, manchmal allein, manchmal gemeinsam. Immer als Glied des Gemeinsam-hier-lebens.
Dies war meine erste Tagung und, abgesehen von einer Menschenweihehandlung, mein erster Kontakt mit der Christengemeinschaft. Ich habe keine Worte, um das zu beschreiben, was ich hier in der Christengemeinschaft kennenlernen durfte. Ich kann aber versuchen es in ein Bild zu packen:
Der Mond geht auf und sein Licht trifft auf das Licht einer kleinen Ansammlung von Kerzen. Um diese Kerzen herum wird getanzt. Die Bewegungen der Tänzer verschmelzen mit dem Licht der Kerzen und das Licht der Kerzen verschmilzt mit dem Licht des Mondes. Ganz subtil, ganz versteckt breit sich so das Licht der Tanzenden überall hin aus, wo auch der Mond hin scheint. Nur wer den Tanz einmal gesehen hat, kann verstehen, wie das Mondlicht durch ihn bereichert wird. Währenddessen drückt sich eine solche Lebensfreude in den Tänzern und im Tanz aus, dass man sie beinahe mit der Hand greifen kann. Ein Baum in der Nähe beobachtet den Tanz und freut sich daran. Ich, ausgestattet mit Kerze, Papier und Stift beobachte den Tanz und freue mich daran. Der Mond aus der Ferne beobachtet den Tanz und freut sich daran.
Einer der Priester sagte während der Tagung einmal: „Die Christengemeinschaft braucht nicht viele Menschen, um zu wirken.“ Und ich denke das stimmt. Aber sie braucht Menschen, die Christengemeinschaft wirkend leben. Und ich möchte allen von Herzen danken, die auf dieser Tagung genau das, ob als Organisator oder als Teilnehmer, getan haben und auch immer wieder tun. Danke, an jeden der Teil von dieser großartigen Glaubensgemeinschaft ist. Danke, dass es euch und die Christengemeinschaft gibt.
Julian Meister, 20, Darmstadt